Letzte Woche in der Sandkiste die übliche Frage der netten Nachbarin und Mutter eines befreundeten Kindes: „Und, wie geht es euch so?“
Ich zögere kurz – hört Ac zu oder ist er beschäftigt? – und formuliere vorsichtig: „Bei uns fängt gerade wieder eine Phase der Machtkämpfe an.“ Die Nachbarin nickt verstehend, fragt noch mit einer unauffälligen Geste nach, mit wem, und ich nicke ebenso unauffällig in Acs Richtung.
Und je länger ich so froh bin, dass sie mich darin unterstützt hat, Ac nichts Negatives über sich hören zu lassen, desto größer wird das Störgefühl ob meiner eigenen Aussage. Machtkämpfe. Klar ist das negativ besetzt. Kämpfen ist anstrengend. Machterhalt beinhaltet in unserem allgemeinen Verständnis Unterdrückung. Denn wenn ich nicht die Oberhand behalte, hat sie ja jemand anders – oder? ODER?
Was ich damit beschreiben wollte, war, dass Ac sich im Augenblick wieder sehr gegen Übergänge sträubt. Aufwachen, Kleidung anziehen, Zähne putzen, Jacke anziehen, losgehen oder -fahren zur Kita – alles muss verhandelt werden, bei allem fällt ihm noch die eine kleine Sache ein, die auf jeden Fall noch anders muss, sonst instant meltdown. Also gehen wir darauf ein. Und dann noch mal. Und noch mal. Und … jetzt reicht es. Jetzt muss es aber mal laufen. Wir haben doch keine Zeit.
Und unausweichlich hockt mindestens einmal am Morgen ein verzweifelt-wütend brüllender kleiner Mensch auf dem Boden, braucht erst mal fünf bis fünfzehn Minuten, um sich zu beruhigen (BeruhigenLASSEN ist aktuell nicht so gefragt), und es dauert alles noch länger.
Aber sind das wirklich Machtkämpfe? Nein. Es sind Kämpfe zwischen Eltern, die in diesem System des Wechsels zwischen 2×40 Stunden Erwerbsarbeit und dem Rest der Zeit Carearbeit mal wieder am Anschlag sind, und einem Dreijährigen, der sein Bedürfnis nach Selbstbestimmung gerade ganz besonders spürt.
Denn Ac ist jetzt bei den „Großen“. Seine Umgewöhnung aus dem Krippen- in den Elementarbereich hat er nach 30 Minuten für abgeschlossen erklärt und war danach nur noch einmal zur Abschiedsfeier in seiner Krippengruppe. Mit all seinem sprudelnden Elan, all seiner Offenheit und all seinem Wissensdurst hat er sich in die neue Gruppe gestürzt und macht laut seinen Erzieher*innen ganz fantastisch mit.
Die Kehrseite dieser Medaille ist, dass sein Mitmachpotenzial nach so einem langen Kita-Tag ohne Mittagsschlaf in den meisten Fällen so gut wie ausgeschöpft ist. Und wenn er schließlich abgeholt wird, klappt es vielleicht noch mit dem Heimweg – aber dann geht es abwärts. Wann wir zum letzten Mal ohne wutentbrannt schreiendes Kleinkind zu Abend gegessen haben, weiß ich nicht.
Mittlerweile können wir das abends recht gut auffangen und liebe- und respektvoll begleiten. Beim Bettfeinmachen wird es vielleicht noch mal hakelig, aber das Einschlafritual ist in den meisten Fällen harmonisch. Für uns ist der Tag damit abgeschlossen – Feierabend, endlich mal Durchatmen. Nur wird mir langsam klar, dass das für Ac ganz und gar nicht so ist.
Dieses Brodeln, das da abends aus ihm herausbricht, klingt anscheinend auch am nächsten Morgen noch in ihm nach. Nun ist es an uns, uns wieder daran zu erinnern, dass ein Kind in diesem Alter niemals „gegen uns“, sondern immer „für sich“ handelt. Die Misere an dieser Erkenntnis: Wir wollen auch „für ihn“ sein. Und wir wollen weiter in unserer Wohnung wohnen, Essen auf dem Tisch haben und Medien konsumieren.
Das Wissen über den psychologischen Hintergrund dieser Konflikte hilft leider so ganz und gar nicht, die real bestehende Zeitknappheit zu bewältigen. Und so reiben wir uns weiterhin auf im Spagat zwischen pädagogisch angemessener, liebevoller Begleitung zweier heranwachsender Menschen und der Notwendigkeit, diese Menschen in den Takt unseres Erwerbslebens einzupassen.
0 Comments