Da liegst Du nun und schläfst, kleine At. Heute hat es länger gedauert – bestimmt eine halbe Stunde warst Du unzufrieden und hast immer mal wieder gequakt, damit ich Dich von Deiner Decke hochnehme. Für gewöhnlich bist Du nach fünf Minuten weggenickt, wenn keine anderen körperlichen Bedürfnisse mehr offen sind.
So mühelos wie das Einschlafen ist auch alles andere mit Dir. Wird es Dir in der Trage unbequem, windest Du Dich ein bisschen. Bekommst Du Hunger, nörgelst Du ein wenig rum und wirst erst in höflichen Intervallen lauter. Ist Deine Windel voll, beschwerst Du Dich – und freust Dich einen Keks, sobald Du auf dem Wickeltisch merkst, dass Dir jetzt geholfen wird. Du beschäftigst Dich ausdauernd allein, verschläfst auch den lautesten Wutanfall Deines Bruders und es könnte Dich nicht weniger interessieren, ob ich den Raum verlasse oder dableibe.
Und bei alledem bist Du freundlich, verschmitzt, neugierig, offen. Bei Ac habe ich mich mit Augenringen bis nach Meppen abgestrampelt, ihn zu fördern und zu fordern, und wurde dafür mit einem aufgeweckten, vor Begeisterung sprühenden Sprachgenie belohnt. Dachte ich. Wenn ich Dich nun so sehe, wie Du immer nur mitlaufen kannst – na ja, danebenliegen –, wird mir immer klarer, dass sein hellwacher Geist wohl kaum meiner Aufopferung zu verdanken ist.
Denn bei Dir habe ich keine Zeit, spazieren zu gehen und Dir die Welt zu zeigen. Erst muss die Windelwäsche in den Trockner gepackt werden. Ich komme nicht auf die Idee, mit Dir zu spielen, denn wir müssen noch Deinen zweiten Brei abhaken, bevor es schon wieder losgeht, den Großen abholen. Keine Ruhe zum gemütlich Bücher anschauen – das höchste der Gefühle ist, wenn Du beim Vorlesen mit Ac auch auf meinem Schoß sitzen darfst und dabei nicht gekniffen wirst. Auf Bilder zeigen und Dinge benennen? Keine Hand frei, muss zwei Kinder und ein Buch halten.
Schaffen wir es mal, uns ohne Drama zum Stillen davonzustehlen, und Du dockst satt ab, dann strahlst Du mich an, als wäre ich der wundervollste Mensch der Welt. Betastest mein Gesicht mit Deinen überirdisch weichen Händen und gurrst vor Freude, wenn ich Deine Finger küsse. Prustest und kiekst vor Lachen, wenn ich die Nase an Deinem Hals vergrabe. Und statt dieses unfassbare Glück in mich aufzusagen, zweifle ich:
Bist Du wirklich so zufrieden? Oder hast Du es bloß irgendwann, unbemerkt von mir, aufgegeben, nach mehr zu verlangen, weil ich es sowieso nicht höre? Weil ich mich noch immer so auf Deinen Bruder konzentriere, als hätte ich nur ein Kind? Apropos Bruder: Wie kann ich froh sein, ihn gerade nicht um uns zu haben? Wie kann ich mir wünschen, er wäre immer noch in der Kita, sodass Du und ich endlich mal Zeit füreinander haben? Und dann bringt mich diese überwältigende Liebe zu Euch beiden zum Weinen, denn eines weiß ich mit Sicherheit: Ich werde nie wieder die Ansprüche erfüllen, die ich als Mutter einmal an mich gestellt habe. Werde durch diese Brille weder Dir noch ihm je gerecht werden.
Doch langsam, langsam verschafft sich eine leise Stimme ganz tief in mir immer mehr Gehör. „Vielleicht muss du das gar nicht“, sagt sie zu mir. Sage ich. Wage ich zu sagen. Vielleicht darf ich auch einfach mein Bestes tun, meine Kinder zu versorgen und ihnen mit Achtung und Wohlwollen zu begegnen. Vielleicht ist es auch einfach genug, dass ich sie liebe. Vielleicht bin ICH genug. Ein revolutionärer Gedanke für eine Mutter in dieser Welt.
Du GIBST dein Bestes!
Und das ist so unendlich viel mehr, als ich von meiner Mutter (iinzwischen halbwegs versöhnlich) sagen kann: Meine Mutter hat mich so geliebt wie sie konnte. Mehr war halt nicht drin.
Ich danke dir ❤️. Das von dir zu hören, berührt mich sehr.