Nach mehrminütigen Verhandlungen darf ich Dich auf den Wickeltisch heben – Du brauchst eine frische Windel und dabei unbedingt Dein Schaumstoffschwert in der Hand. Kaum habe ich Dich ausgezogen, fuchtelst Du mir mit dem Schwert im Gesicht rum und ich ermahne Dich: „Abstand halten. Nur so tun als ob.“
Jetzt die Stinkewindel aufmachen. Body sauber geblieben? Puh, zum Glück ja. Ein Schwert stößt mir die Brille auf halbacht. „Hör auf damit! Ich will das nicht im Gesicht haben, da hab ich Angst um meine Brille.“ Popo saubermachen. Noch einen Lappen. Argh, Schwert! „Lass das! Wenn du mich noch mal damit haust, nehme ich es dir weg.“
Meiner verärgerten Miene begegnest Du mit einem verschmitzten Grinsen und hebst das Schwert. „Das ist nicht lustig“, sage ich knapp. „Mich stresst das und ich mag das nicht!“ Das Schwert schwebt weiter erhoben vor mir und wir stehen an einem Scheidepunkt.
Schaffe ich es, Dein Bedürfnis nach Verbindung zu erfüllen, oder eskalieren wir?
Ich will fertig werden, Du willst Verbindung. Kannst erst dann mitmachen, wenn Du Verbindung spürst. Und je gefrusteter ich werde, weil Du nicht kooperierst, desto schwerer fällt es mir, in die Verbindung zu gehen. Wenn der Frust erst einmal da ist, kann ich ihn im Augenblick kaum loslassen. Er mauert mich ein in eine enge Kammer, zwischen deren Wänden ich mich winde und mir die Haut aufschürfe, ohne sie aufbrechen zu können.
Langsam begreife ich, dass ich früher ansetzen muss. Dass es Dir nicht reicht, Dein Spielzeug mit auf den Wickeltisch zu nehmen, sondern dass Du diese Situation mitgestalten willst. Und es fällt mir wahnsinnig unglaublich grauenhaft schwer, Dir diesen Raum zu geben. Mich auf Dich einzulassen. Woher kommt dieser tonnenschwere Widerstand in mir?
Ist es nur der unterdrückte Ekel, der mich antreibt, bloß schnell die Exkremente loszuwerden, mit denen ich hier hantieren muss? Vielleicht noch die Angst, als Mutter zu versagen, wenn Du wieder einen wunden Popo bekommst, weil Du zu lange darin geschmort hast? Nein, nach und nach erkenne ich auch mein inneres Kind, das auf so viel mehr Ebenen zum Funktionieren gezwungen war und wurde.
Zum einen, weil das in den Achtzigern nun mal so war. Adultismus war damals wahrscheinlich noch nicht einmal ein Fremdwort, sondern galt schlicht als die gottgegebene Norm. Und egal, wie ich als Zweijährige aufbegehrt haben mag – soweit ich mich zurückerinnere (ca. 5. Lebensjahr), habe ich mein Heil stets in der Anpassung gesucht.
Zum anderen, weil mein Vater Alkoholiker ist und sich in meiner frühen Kindheit, als er noch trank, das gesamte Familienleben um seine Krankheit drehte. Nicht wecken, leise sein, nur Mama fragen, auf Eierschalen gehen – funktionieren eben. Eine gute Kümmerin ist so aus mir geworden. Nur eben nicht um mich selbst.
Und nun verlangst Du von mir, zu kooperieren. Dir die Situation zu erleichtern, indem ich zuerst auf Dein Bedürfnis nach Verbindung eingehe. Und die vierjährige Freya in mir tobt und stampft, weil sie schon wieder ihre eigenen Bedürfnisse hintenanstellen soll.
Vielleicht sollte ich auch mit ihr wieder mehr in Verbindung gehen.
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