Ehrlichkeit war für mich schon immer ein wichtiger Wert. Vor allem in meiner mütterlichen Herkunftsfamilie zählten Gerechtigkeit, Solidarität und Integrität zu den höchsten Gütern – frau stand zu ihren Werten und ihrem Wort und zog durch. „Walk the talk“ lautet ein sehr passendes englisches Idiom dafür.
Nur in meinem persönlichen Dasein, mir selbst gegenüber, kam das lange Zeit zu kurz. Lieber habe ich gelächelt und Ja gesagt, als etwas abzulehnen und damit zu riskieren, mein Gegenüber zu brüskieren. Lieber habe ich mich in über zwölf Jahren Beziehung mit meiner Jugendliebe immer weiter verbogen, als zu meinem Wesen und Wachsen zu stehen und meinen damaligen Partner damit zu verunsichern. Lieber habe ich noch einen Übersetzungsauftrag mehr in die Jahresplanung gequetscht, als mir einzugestehen, dass ich ohnehin schon überlastet und meine Prokrastination dafür das deutlichste Symptom war.
Und was hat es mir gebracht? Hunderte (!) Stunden unbezahlter Korrektur- und Lektoratsarbeit an den Abschlussarbeiten von Freund*innen und Verwandten („Du kannst mir ja was von meiner Amazon-Wunschliste schenken.“). Eine zerbrochene Liebe, in der ich mich am Ende selbst nicht mehr kannte. Ein völlig überlastetes Immunsystem, mit dem ich aufs Jahr gerechnet öfter krank als gesund war.
In den Jahren seither lerne ich immer mehr, für mich einzustehen. Überhaupt erst mal in mich reinzuhorchen, wie es mir mit etwas geht. Und es dann für mich selbst und auch mein Gegenüber klar zu formulieren und die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Eine der jüngeren Erkenntnisse daraus ist, dass ich niemandem mehr eitel Sonnenschein vorspielen will, wenn es mir nicht gut geht. Dass ich diese Kraft deutlich sinnvoller verwenden kann. Dass es mir sogar Kraft gibt, mein Unwohlsein in Worte zu fassen – denn so wird es für mich greifbarer und verliert seine diffuse Bedrohlichkeit, die manchmal alles niederzudrücken scheint wie eine bleierne Wolkendecke.
Dazu gehört auch eine gehörige Portion Überwindung. Ela aus der Kitagarderobe meinen Text zu schicken hat viel Mut gekostet. Und es war reinigend. Es hat mir ebenso gutgetan wie die Auftragsreduzierung um 1/3 damals, die mir die Zeit für Sport und das beste Immunsystem meines Lebens geschenkt hat (Was meine Mutterschaft damit macht, steht auf einem anderen Blatt). Wie die herzzerreißende Trennung, aus deren Trümmern ich mich völlig neu aufgebaut habe.
Und auch darum schreibe ich hier weiter. Für mich. Weil diese Ehrlichkeit, so schwer sie auch auszusprechen sein mag, mich befreit. Meine Worte in Euren Köpfen verleihen mir Flügel.
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