Da ist diese Liebe … So bedingungslos und allumfassend wie als Mutter habe ich nie zuvor geliebt. Mit der Geburt meines Sohnes und dann noch einmal mit der meiner Tochter hat meine Welt sich neu ausgerichtet: Meine Kinder wurden zum Dreh- und Angelpunkt. Doch neben der überwältigenden Liebe zu meinen zarten, weichen, duftigen Babys prägt die Erinnerung an meine ersten Jahre als Mutter vor allem eins: Nie zuvor war ich so erschöpft.
Und je öfter ich mit anderen Müttern* darüber spreche, desto öfter höre ich, dass es ihnen genauso ging oder noch geht. Und zwar nicht dieses „Na ja, wer braucht schon Schlaf“ – und dann ein gequältes Lachen. Nein, wenn wir ehrlich reden, wird klar: Viele von uns sind in den ersten Monaten und Jahren geradezu ausgelaugt. Wissen eigentlich gar nicht, wie sie es überhaupt schaffen, weiterzumachen. Und machen es doch.
Bei mittlerweile fast 20% von uns führt das zu psychischen Erkrankungen, denn keine Ressource ist unerschöpflich. Auch nicht unsere Kapazität, uns um andere zu kümmern. Und eigentlich wissen wir das. Warum also fällt es uns so schwer, das abzulegen?
In diesem Artikel erfährst du, wie Liebe, Schuldgefühle und die Umbrüche der Muttertät dazu führen können, dass du immer wieder über deine Grenzen gehst – bis gar nichts mehr geht. Und welche drei Schlüssel für deinen Ausstieg aus diesem Teufelskreis von großer Bedeutung sind.
Inhaltsverzeichnis
Liebe und Bedürfnisorientierung
Als Babymamas* haben wir zwar keinen Mutterinstinkt, der uns von Anfang an unfehlbar wissen ließe, was unser Baby gerade braucht – aber eine Intuition, die stetig feiner wird. Und mit der Zeit (bei manchen schneller, bei anderen langsamer) wächst eine innige Liebe zu diesem kleinen Menschen, den wir da versorgen. Also tun wir unser Bestes, um all seine Bedürfnisse möglichst schnell zu erfüllen: Wir wollen ja, dass es unserem Liebling gut geht.
Dann gibt es für uns selbst halt mal eine Woche lang nur Katzenwäsche und wir essen zu Mittag den restlichen Babybrei und die Tüte Chips, die da noch rumliegt – Hauptsache, unser Schatz ist sicher und zufrieden. Wir als Erwachsene können ja auch viel besser warten als so ein armes kleines Würmchen. Was tut man nicht alles aus Liebe?
Für meinen Erstgeborenen habe ich in seiner Babyzeit alles getan. Für mich selbst? Nur noch das Allernötigste. Ac war ein sehr nähebedürftiger Säugling – da musste mein Mittagsschlaf halt ausfallen, wenn er nur in der Trage zur Ruhe kam. Abends zum Sport gehen, während ein kleiner Mensch herzzerreißend nach mir brüllt? Die zarte Kinderseele war wichtiger als mein Mama-Körper. Drei Monate vor seinem 2. Geburtstag bekam Ac dann seine kleine Schwester At. Und selbstverständlich brachte ich beide zusammen ins Bett – dass der Große die Kleine dabei jeden Abend drei-, viermal wieder aufweckte, musste ich eben aushalten. Schließlich brauchte er mich noch genauso dringend wie vorher!
Schuldgefühle als ständige Begleiter
Der Schlafmangel aus Acs erstem Lebensjahr hatte mich so zermürbt, dass ich bei seiner kleinen Schwester innerhalb kürzester Zeit aggressiv wurde, wenn jemand sie weckte. Auch Ac gegenüber. Aber eine „gute Mutter*“ geht doch immer liebevoll mit ihrem Kind um! Also fühlte ich mich natürlich furchtbar, wenn ich ihn anblaffte. Jeden Abend.
Denn eins verrät uns vor dem Mutter*werden leider niemand: Wir empfinden eben nicht ausschließlich Liebe für unsere Kinder. Da ist von Frust über Hilflosigkeit, Langeweile und Wut ein ganzer Blumenstrauß an Gefühlen dabei, mit denen wir oft so gar nicht gerechnet hätten – und vor allem nicht in dieser Intensität. Auch im Umgang mit unseren Kindern bleiben wir immer wieder hinter dem zurück, was uns unzählige Bücher, Filme und Social-Media-Accounts (übrigens oft auch noch widersprüchlich) als „gute Erziehung“ vermittelt haben. Wir reagieren genervt, bestechen, vergleichen, bestrafen mit Liebesentzug … Und wehe, wir sind so überlastet, dass wir den Kleinen gegenüber aus der Haut fahren!
Spätestens dann meldet sich diese vorwurfsvolle Stimme in unseren Köpfen: Eine gute Mutter* liebt ihr Kind über alles! Ist immer zugewandt und interessiert! Weiß stets, was zu tun ist! Hat für alles Verständnis! Wahrt unerschütterlich die Fassung! Das kannst du nicht? Dann bist du keine gute Mutter*!
Und – zack! – fühlen wir uns mies. Und was machen wir, wenn wir das Gefühl haben, einer Aufgabe nicht gerecht zu werden? Wir strengen uns an, es besser zu machen. Erst recht bei einer der essenziellsten Aufgaben, die ein Mensch haben kann. Also verzichten wir noch mehr, schieben noch mehr auf, schlucken noch mehr runter. Gehen noch weiter über unsere Grenzen.
Bei mir kam es nach einem fast kompletten Erzieherinnenwechsel für den gefühlsstarken Ac und einem Umzug mit der fünf Monate alten At schließlich, wie es kommen musste … Ich brannte aus. Konnte nicht mehr. Hatte in meiner Liebe zu meinen Kindern meine eigenen Grenzen so niedergewalzt, dass ich alles gab – bis da nichts mehr zu geben war.
Und damit bin ich nicht allein. Denn es ist nicht die Liebe, die uns als Mütter* blind macht für unsere Grenzen – sondern die Schuldgefühle, die wir wie Scheuklappen ununterbrochen mit uns herumtragen. Und das ist noch nicht alles …
Nichts bleibt, wie es war
Denn dann ist da ja auch noch die Muttertät. Mittlerweile ist nachgewiesen, dass sich in dieser Lebensphase unsere Hirnstruktur deutlich verändert – und mit ihr auch viele Ebenen unserer Psyche. Nicht nur unser Wertesystem und unsere Haltung zur Welt können von diesem Wandel betroffen sein, sondern auch unsere Empathie, unsere Resilienz und unser Risikobewusstsein.
Während wir also dem unerreichbaren Ideal der „guten Mutter“ nachjagen, in dem eigene Bedürfnisse für Mütter* schlicht nicht vorgesehen sind … verändern diese Bedürfnisse sich auch noch. Was wir früher vielleicht mit einem Schulterzucken hingenommen haben, kann heute unfassbar belastend für uns sein. Doch wenn wir von dieser Veränderung nichts ahnen und sie deshalb nicht reflektieren, messen wir uns weiterhin an alten Grenzen, die womöglich längst nicht mehr gelten.
Aus dieser Perspektive wird unsere geschärfte Feinfühligkeit zur Überempfindlichkeit. Angst vor dem Klimawandel, dem erstarkenden Faschismus oder Krieg wird zur Schwarzmalerei. Und das Versagen (oder die Nicht-Verfügbarkeit) der gewohnten Bewältigungsstrategien bei Stress werten wir als persönliche Unfähigkeit. Früher ging es doch auch, sagen wir uns und beißen uns durch. Wenn uns dann nach der x-ten unbemerkten Grenzüberschreitung der Kragen platzt, geißeln wir uns dafür erbarmungslos … und der Kreislauf aus Liebe, Schuldgefühlen und Erschöpfung geht von vorne los.
Der Weg nach vorn führt nach innen
Grenzenlose Liebe kann ein zweischneidiges Schwert sein: Nicht immer bedeutet sie tiefe Erfüllung, sondern allzu oft auch nackte Erschöpfung. Aber wie rauskommen aus diesem Teufelskreis? Die Anforderungen an uns als Mütter* sind höher denn je, und auch wenn das Internet uns bombardiert mit Ratschlägen und Selbstfürsorge-Hacks, sind die wenigsten davon wirklich auf unser persönliches Wohlergehen ausgerichtet.
So bitter es auch klingt: Wenn wir uns nicht um uns selbst kümmern, ist die Gefahr groß, dass es auch sonst niemand tut. Und die Art von Selbstfürsorge, die es hierfür braucht, lässt sich nicht ganz so schön vermarkten wie eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder ein Tag im Wellness-Tempel. Sie erfordert Arbeit und einen ehrlichen Blick nach innen.
Für mich waren es drei Schlüssel, die mir aus dem Kreislauf der Erschöpfung das Tor in die Erfüllung geöffnet haben:
Anerkennen, was ist
Ohne echte Akzeptanz der Veränderungen, die da in dir geschehen, wirst du immer weiter gegen Windmühlen kämpfen. Ich konnte mich auf all das erst wirklich einlassen, als ich erfuhr, dass „Muttertät“ kein lahmes Wortspiel ist, sondern ein wachsendes Forschungsfeld zu einer realen Lebensphase. Als ich die Matreszenz in all ihrer Vielschichtigkeit wahrnehmen, verstehen und als natürlichen nächsten Abschnitt auf meinem Lebensweg annehmen konnte.
Reflektieren, was wird
Um wieder ein Gefühl für deine Grenzen zu bekommen, braucht es eine ehrliche Auseinandersetzung mit der neuen Identität, die da in dir entsteht. Mit der Frage, was dir wichtig ist, was dich mit Freude erfüllt, was dich nährt – und auch, was vielleicht gerade nicht mehr zu dir passt. Wer bin ich eigentlich, nun, da ich auch Mutter bin? Auch nach vier Jahren Mutterschaft, im dritten Jahr meiner zweiten Matreszenz, spüre ich immer mal wieder in mich hinein und stelle mir diese Frage aufs Neue.
Ablegen, was war
Alle Klarheit über deine persönlichen Bedürfnisse bringt nichts, solange es dir nicht gelingt, auch für sie einzustehen – und diese Selbstwertschätzung wurde den meisten von uns als Mädchen* in dieser Gesellschaft schon früh abtrainiert. Erst nach und nach habe ich begriffen und zu verinnerlichen begonnen: Auch als Mutter bin ich als Mensch es weiterhin wert, dass meine Bedürfnisse Erfüllung finden. Auch wenn der patriarchale Muttermythos uns hartnäckig das Gegenteil weismachen will. Und uns von diesen Mustern zu lösen ist mehr als eine Lebensaufgabe, darum sei nachsichtig mit dir, wenn du dich doch mal wieder darin ertappst.
Fazit: Grenzenlose Liebe schließt auch dich mit ein
Auf meinem Weg aus der Erschöpfungsdepression habe ich meine Welt ein drittes Mal neu ausgerichtet. Habe einen neuen Dreh- und Angelpunkt für uns als Familie erschaffen, irgendwo in unserer Mitte. Denn irgendwann habe ich verstanden: Je besser ich selbst versorgt bin, desto besser kann ich diese Fülle auch in meine Familie tragen.
Hier war die letzte Woche hart. Zur Zeit werden wir wieder mehrmals pro Nacht vom einen oder anderen Kind geweckt – das zerrt an den Nerven und zehrt an den Kräften. Dieses Foto ist morgens um sechs entstanden, nachdem ich anderthalb Stunden lang versucht hatte, Ac wieder zum Schlafen zu bewegen, und schließlich resigniert mit ihm aufgestanden bin.
Umso mehr achte ich gerade darauf, für mich zu sorgen: mit Ruhepausen, nahrhaftem Essen, Pilates und Sauna. Mit dem Verzicht auf Veranstaltungen wie Bastelnachmittage oder Kita-Feste, die für mich so gut wie immer in Reizüberflutung und Stress ausarten. Heute kann ich das. Noch vor anderthalb Jahren erschien mir das wie eine unlösbare Aufgabe. Ich musste erst mühsam wieder lernen, meine Bedürfnisse wahrzunehmen – und dann auch die Grenzen zu ziehen, die es für ihre Erfüllung braucht.
Du willst diesen Weg nicht allein gehen? Dann lass uns reden. Hier findest du deinen Termin für ein unverbindliches persönliches Vorgespräch:
Neben der Liebe zu meinen Kindern spüre ich heute endlich auch wieder die zu mir selbst. Ich erlaube mir, auch für mich einzustehen. Indem ich mit meinen eigenen Bedürfnissen genauso achtsam umgehe wie mit denen meiner Kinder. Denn meine Liebe mag grenzenlos sein, aber ich als Mensch bin es nicht. Und auch du musst es nicht sein, um deinem Kind eine gute Mutter* zu sein.
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